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Einfache Ellenbogenluxation

Definition

Die einfache Ellenbogenluxation ist eine komplexe Weichteilverletzung ohne begleitende Fraktur

 

Diagnostik

  • Röntgen vor/nach Reposition: Ellenbogen ap/lateral (keine Verzögerung der Reposition wegen fehlender Röntgenaufnahme, insbesondere bei neurologischem Defizit)
  • ggf. Computertomografie (kein Standard): fragliche knöcherne Begleitverletzungen, Beurteilung Coronoidfraktur (Beteiligung anteromedialen Facette)
  • ggf. MRT (kein Standard): fragliche Gelenkinkongruenz und deren Ursachen (Knorpelfragmente, Weichteilinterponate) (CAVE: nur in strecknaher Stellung können Inkongruenzen und Bandverletzungen sicher beurteilt werden)

 

Initiale Therapie

Geschlossene Reposition:

    • Kurznarkose
    • Einhelfermethode

(Bildquelle: Mittlmeier, T. & Beck, M. Unfallchirurg (2009) 112: 487. https://doi.org/10.1007/s00113-009-1615-0)

    • Zweihelfermethode

(Videoquelle: YouTube)

 

  • Stabilitätstestung in Narkose unter dem BV (CAVE keine muskuläre Führung)
    • Reluxationstendenz
    • Gelenkkongruenz im funktionellen Bogen (0°-30°-130°)
    • Varus-/Valgusstabilität (nur limitierte Beurteilbarkeit im akuten Setting)
  • Röntgenologische Dokumentation
  • Ruhigstellung im Oberarmgipsschiene (max. 1 Woche).

Dynamische Stabilitätsprüfung (unter BV) nach 1 Woche unter muskulärer Führung:

  • schmerzfreie Beweglichkeit im funktionellen Bogen (0°-30°-130°) ohne «Luxationsangst»
  • Gelenkkongruenz im gesamten funktionellen Bogen
  • Radiusköpfchenzentrierung aufs Capitulum humeri in Supinations-/Neutral- & Pronationsstellung
  • Prüfung der Valgus-/Varusinstabilität in 0° und 30° (deblockiert)

 

Indikation zur konservativen vs. operativen Behandlung

Konservativ:

  • Geschlossene Reposition
  • Keine Reluxationstendenz innerhalb des funktionellen Bogens
  • Kongruente Gelenkführung durch muskuläre Kompensation

Operativ:

  • Offene Luxationsverletzung
  • Geschlossene Reposition nicht möglich
  • Begleitende Gefäss-Nervenverletzung
  • Reluxationstendenz innerhalb des funktionellen Bogens
  • Keine aktive Gelenkzentrierung verifizierbar («Luxationsangst»)
  • Persistierende Subluxation radiologisch

Relative Indikationen:

  • Freier Gelenkkörper und Weichteilinterponat
  • Extensionsnahe Reluxationstendenz (<30°) bei Patienten mit hohem funktionellen Anspruch
  • >10° Varus- /Valgusinstabilität im Vergleich zur Gegenseite führt zu schlechterem funktionellen Ergebnisse (Besprechung operative Stabilisierung)

 

Konservative Therapie

  • OA Gipsschiene Ruhigstellung maximal 1 Woche.
  • Direkt Beginn mit Physiotherapie aus der Schiene (siehe unten)
  • Nach 1 Woche Bewegungsorthese mit Extensionsblock 30° für 6 Wochen, entsprechend Verlauf Reduktion des Blocks ab 3. Woche
  • Reguläre klinisch-radiologische Kontrollen nach 1,2 (3) 6 und 12 Wochen (dem individuellen Verlauf anzupassen) → frühzeitiger Verfahrenswechsel bei persistierender Subluxation und ausbleibender Bewegungsverbesserung (Bewegungsschiene oder Quengelschiene)
  • Physiotherapie:
    • belastungsfreie Mobilisation aktiv-assistiv im funktionellen Bogen
    • Pro/Supination ausschliesslich in 90°
    • Isometrisches (gelenkzentrierendes) Muskeltraining
    • Ab 7. Woche (nach ärztlicher Kontrolle): Kraftaufbauübungen, Freigabe Alltagsaktivitäten, Entwöhnung von Orthese

 

Operative Therapie (Standardstrategie)

 Rückenlagerung, Armbänkli

  1. Rekonstruktion von lateral (LCL, Extensorenansätze, Coronoidspitze, ventrale Kapsel)
  2. Bei persistierender Instabilität: Rekonstruktion von medial (MCL, Coronoid, Flexorenansätze)
  3. Bei persistierender Instabilität: Bewegungsfixateur oder Cross Pinning

 

Literatur

  • Operative treatment of terrible triad injury of the elbow: Open reduction and internal fixation. Babst R, Schraner C, Beeres F. Oper Orthop Traumatol 2017 Apr; 29(2):125-137
  • Behandlungsalgorithmus Ellenbogenluxation. Siebenlist S, Lenich A, Imhoff AB. OUP 2016; 3: 132–138
  • Early mobilisation versus plaster immobilisation of simple elbow dislocations : results of the FunSiE multicentre RCT. Iordens GI, et al. Br J Sports Med 2017 ; 51 :531-538.
  • Unstable simple elbow dislocations: medium-term results after non-surgical and surgical treatment, Schnetzke M, et al. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2017; 25:2271-79.
  • Simple elbow dislocation, Robinson PM. Shoulder Elbow 2017 ; 9(3):195-204

 

Autoren: Dr. med. Frank Beeres, Dr. med. Steffen Geuss

Freigabe: Prof. Dr. med. M. Knobe

Luzerner Kantonsspital 11/2019




Proximale Humerusfraktur

Präoperative Abklärung
– Schulter a.p. sowie Neer-Aufnahme
– bei B-Frakturen (nach Rücksprache mit OA) sowie bei C-Frakturen: CT Schulter

Präoperative Massnahmen
Mitella, pDMS testen, CAVE: Luxationsfrakturen (ggf offene Reposition)

Klassifikation / Interpretation

AO
Klassifikation nach Hertel (full article)
Klassifikation nach Neer (full article)

Indikation zur operativen Behandlung
Prinzipiell können ungefähr 80% der proximalen Humerusfrakturen konservativ behandelt werden. Eine Dislokation jedes einzelnen Fragmentes >5mm sowie eine Achsenfehlstellung >30°-45° sind als Indikation für eine operative Stabilisierung akzeptiert. Für die Indikationsstellung sind neben diesen Faktoren das Alter des Patienten, seine Knochenqualität und speziell der Patientenanspruch für die Alltagsverrichtungen ausschlaggebend. Auch eine konservative Behandlungsstrategie erfordert regelmässige Kontrollen um eine Sekundärdislokation zu erfassen und ev. das Behandlungsschema zu wechseln.

Relative Indikation für operative Versorgung

  • Bilaterale Frakturen der oberen Extremitäten
  • Polytrauma

Indikation zur konservativen Behandlung
– geringer Patientenanspruch
– hohes Risikoprofil für eine Operation / Anästhesie

Operative Behandlung

2-Part Frakturen: MIPO Philosplatte

2-Part Frakturen mit metaphysärer Trümmerzone: MultiLoc Humerus Nagel

Tuberculum majus Abriss
(Indikation für Versorgung: kraniale Dislokation >5 mm)
– Drittelrohr oder Gerberplatte oder Schraubanker

3/4-Part: Philosplatte: (MIPO oder offen)

Nicht rekonstruierbar oder head split: ggf. Prothese

  • Aufklärung
  • Ruhigstellung: Bei Philos-Platte / Multi Lock: Postoperativ in OPED-Sling für 6 Wochen. Bei Inverse-Prothese und anatomischer Frakturprothese: Abduktionsschiene 6 Wochen postoperativ
  • Bewegungseinschränkung / Belastung / Physio: (link zu Physioblaubuch)
  • Fadenentfernung: 12-14 Tage postoperativ
  • Nachkontrollen: 6 Wochen/ 12 Wochen/ evtl. ½ Jahr/ 1 Jahr postoperativ
  • OSME: Im Prinzip nach 1 Jahr planen, auf Indikation früher
  • Arbeitsunfähigkeit:
      • Büro: 2-6 Wochen
      • Belastende Arbeit: Abhängig von Frakturheilung und Bewegungsausmass

Konservative Behandlung

  • Ruhigstellung: OPED-Sling für 2 Wochen ev. mit Hypomochlion, dann Mitella tagsüber und OPED-Sling nachts für weitere 4 Wochen
  • Nachkontrollen: 5-7 Tage/ 2 Wochen/ 6 Wochen/ 12 Wochen posttraumatisch
  • Bei Sekundärdislokation ev. Therapiewechsel auf operative Stabilisierung
  • Bewegungseinschränkung / Belastung / Physio: (link zur Physioblaubuch)
  • Arbeitsunfähigkeit:
      • Büro: 6 Wochen
      • Belastende Arbeit: Abhängig von Frakturheilung und Bewegungsausmass



Distale Humerusfraktur

Präoperative Abklärung

  • Exakte Weichteilbeurteilung
  • Offene Frakturen: Antibiose, Fotodokumentation, Betadinekompressen
  • Ausführliche Erhebung der peripheren Neurologie
  • Röntgen Ellbogen in 2 Ebenen (ap/seitlich)
  • bei intraartikulären Frakturen Computertomographie Ellbogen

Präoperative Massnahmen

  • Ruhigstellung in dorsaler Oberarmschiene, Gelenküberbrückender Fix Ex oder Gilchrist

Spezielle Aufklärung:Nervenläsion N. ulnaris, N. radialis

  • H.O. mit ggf Arthrolyse
  • Funktionseinschrankungen mit ggf. Arthrolyse
  • OSME
  • sonst übliche Risiken von Osteosynthesen

Indikation zur konservativen Behandlung

  • nur bei Vorliegen von schwerwiegenden Kontraindikationen oder undislozierten Frakturen älterer Patienten. Durch die notwendige 6-wöchige Ruhigstellung massive Bewegungseinschränkungen unvermeidbar.

indication zur operativen Behandlung

  • Offene Reposition und Osteosynthese der distalen Humerusfraktur des Erwachsenen ist Goldstandard zwingend bei Gefäss-Nervenverletzungen primär nur die Versorgung des Weichteildefektes mittels primärem Wundverschluss oder Vakuumversiegelung und die Anlage eines Fixateur externeBei offener Fraktur oder beim polytraumatisierten Patienten:
  • Ziel der operativen Versorgung:
    • Wiederherstellung des Weichteilmantels
    • stabile Verbindung zwischen Epiphyse und Diaphyse
    • stabile Rekonstruktion der Gelenkfläche
    • damit ermöglichte funktionelle Nachbehandlung : Funktionalität des Ellenbogengelenks bewahren

Klassifikation / Interpretation

 

  

 

Operative Versorgung

13-A1      Schraubenosteosynthese

13-A2/3   Schrauben und Plattenosteosynthese

13-B1-3   Schrauben und Plattenosteosynthese

13-C1-3   Doppelplattenosteosynthese 3.5mm LCP distal humerus plate, orthogonal, paralell bei sehr distalen Frakturen und Osteoporose

 

Zugang alle AO Typ A,B,C Frakturen: https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00064-016-0474-4

    • Ulnar und radial des M. Triceps bei fehlender Gelenkbeteiligung (hohe AO 13 A.2 und A.3 Frakturen hoher einfacher Y Fraktur AO 13 B2, C1)
    • Olecranonosteotomie (Chevron bei C3 Frakturen) bei C1,C2 Frakturen ev. Lediglich Olecranontip OT

 

OP-Anmeldung

Lagerung: Bauch/Seitenlage, Schultertisch +Armzusatztisch

Antibiotikaprophylaxe mit Kefzol, Blutsperre steril, Gebrauch gem Operateur

BV

 

Postoperative Nachbehandlung

Thromboembolieprophylaxe (gem. Schema)

postoperative Röntgenkontrolle Ellbogen ap/seitlich ohne Schiene, ggf CT beim intra-artik. Frakturen

postoperative Kontrolle der Neurologie

Ruhigstellung postop: 2 Tage Oberarmschiene dorsal ohne Handgelenkseinschluss, Mitellaschlinge bei Bedarf

Redon im Prinzip nicht (fälls nötig max 48 h)

Hospitalisationsdauer: ca. 5 Tage

H.O. Prophylaxe (Indomethacine oder analoges NSAR) bei gleichzeitigem Schädel Hirn Trauma

 

Physiotherapie (vgl. Schema)

Mobilisationsbeginn: 24 h postop

Mobilisation Ellbogen aktiv assistiv hubfrei für 6 Wochen

sofortige Beübung Schulter und Handgelenk

 

nach Hospitalisation

Wundkontrollen beim Hausarzt

Keine Oberarmgipsschiene

Fadenentfernung 12-14Tage beim Hausarzt oder Operateur

Physiotherapie aktiv-assistiv, während 6 Wochen hubfrei

Arbeitsunfähigkeit :

  • mindestens 2 Wochen bei Patienten mit PC arbeit
  •  bei belasteter körperlicher Tätigkeit: mindestens 6 Woche

 

Nachkontrollen: 6, 12, 24 Wochen mit Röntgen Ellbogen ap/seitl, AO Kontrolle nach 12 Monaten

Metallentfernung nicht obligat nach 12-18 Mt

 

Pitfalls

Schulter und Handgelenk nicht unnötig ruhigstellen. Frühfunktionelle Therapie des Ellbogen ist entscheidend, da  eome rasche Bewegungseinschränkung die  Folge ist!!!!

 

Referenz

Beeres FJP, Oehme F, Babst R.

Distale Humerusfraktur – Zugänge und Erweiterungen.

Operative Orthopädie und Traumatologie 2017

https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00064-016-0474-4

 

Autoren

Dr. med. Frank Beeres, Prof. Dr. Med. Reto Babst

Luzerner Kantonsspital 11/2018