Diabetisches Fusssyndrom

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Diagnostische Abklärung

  • Klinische Beurteilung mit

    • Probe-to-Bone positiv?
    • Periphere Sensibilität mit Monofilamentetest?
    • Fotodokumentation!
    • Temperatur
  • Fotodokumentation im PACS

    von plantar, dorsal, lateral, medial und ventral. Dann gezielte Nahaufnahme der Läsion (Insgesamt 6 Aufnahmen)

  • Monofilamente Test

  • Silfverskjöld Test

    (zu kurze Achillessehne)

  • Labor

    HG1, Na, K, Kreatinin, CRP, HbA1c Gerinnung

  • Röntgen

    Fuss dp, seitlich und schräg stehend, OSG ap belastet

  • MRI

    MRI (mit KM) des Fusses bei radiologischem Verdacht auf Osteomyelitis (Osteolysen im Röntgen) auch zum Planen des allfälligen Debridements / Amputationsniveau – Differenzierung Charcot Arthropathie aka DNOAP = diabetische neuropathischen Osteoarthropathie)

  • Angiologisches Konsilium

    mit Frage nach der peripheren Durchblutung (wenn bereits angiologisch voruntersucht nicht älter als 6 Monate) – TcpO2

  • Gefässchirurgische Mitbeurteilung

    falls ischämische Komponente

  • Endokrinologische und infektiologische Mitbeurteilung

 

Klassifikation / Interpretation

Diabetisches Fußsyndrom Gradeinteilung (nach Wagner/Armstrong)

Wagner-Grad  Armstrong-Stadium
A B C D
0 Prä-oder postulcerative Läsion (=Deformität, Hyperkeratose, keine Läsion, Risikofuß) ohne Infektion oder Ischämie mit Infektion mit Ischämie mit Infektion und Ischämie
1 oberflächliche Wunde ohne Infektion oder Ischämie mit Infektion mit Ischämie mit Infektion und Ischämie
2 Wunde bis zur Ebene von Sehne oder Kapsel ohne Infektion oder Ischämie mit Infektion mit Ischämie mit Infektion und Ischämie
3 Wunde bis zur Ebene von Knochen ohne Infektion oder Ischämie mit Infektion mit Ischämie mit Infektion und Ischämie
4 Nekrose von Fußteilen ohne Infektion oder Ischämie mit Infektion mit Ischämie mit Infektion und Ischämie
5 Nekrose des gesamten Fußes ohne Infektion oder Ischämie mit Infektion mit Ischämie

PEDIS-Klassifikation

 

Grad Perfusion Ausmass Tiefe Infektion Sensibilität Score
1 Keine pAVK Haut intakt Haut intakt Keine erhalten 0
2 pAVK, keine kritische Ischämie <1 cm2 oberflächlich oberflächlich absent 1
3 Kritische Ischämie 1–3 cm2 Fascie, Sehne, Muskel Abszess, Fasciitis, septische Arthritis 2
4 >3 cm2 Knochen / Gelenk SIRS 3

paVK / PAD, peripheral arterial disease; CI / CLI, critical limb ischemia.

 

 

Notfallvorstellung – Triage

  • Rücksprache mit Dienstarzt Orthopädie resp. Fuss-Team direkt!
  • Das Fussteam kann über WA (Bilder) und Tel. kontaktiert werden.

 

Indikationen zu einer konservativen Behandlung

  • Grad 1 und 2 Ulcera

Indikationen zur operativen Behandlung

  • Grad 3 Ulcera
  • Zeichen Osteomyelitis
  • Probe to bone
    • Kann der Knochen nicht sondiert werden, ist eine Osteomyelitis unwahrscheinlich [1]
    • negative = negative predictive value von 98%:
  • Persistierendes Ulkus trotz adäquater Schuhversorgung
  • Sausage toe

 

Nicht-operative Therapie

  • Bedside Abtragen der gesamten Hyperkeratose resp. der dermalen Blase um resp. über dem Ulcus bis zum Gesunden mit dem Skalpell – Probe to bone kann erst korrekt durchgeführt werden, wenn die Kutis debridiert ist.
  • Photodokumentation vor und nach Debridement
  • Druckentlastung mit Schutz-Schuh (Vacu-Paso / Woundcare) resp. Voll-Kontakt-Gips, ggf. auch beidseitig.

Operative Behandlung

    • Ziel ist eine funktionelle und schuhversorgbare untere Extremität zu erreichen.
    • Radikales und frühzeitiges initiales Debridement kann über den weiteren Verlauf entscheiden.
    • Es sollten immer mindesten drei mikrobiologische Proben (und eine Histologie) entnommen werden (Weichteile und Knochen vom Amputat und Gesunden).
  • Keine Kompressen in Wunden stecken!
  • VAC mit Sog von höchstens 50 mmHg!
  • Versuch alle Gelenke zu verschliessen resp. allen frei liegenden Knochen zu decken. Falls nicht möglich und schon länger Oberflächenkontakt direkte Resektion im ersten Debridement. Eingriffe des Mittelfusses ab Metatarsale sollten mit dem Team abgesprochen werden.Operationswürdigeit in der Nacht überprüfen und ggf. Fussteam hinzuziehen. ansonsten Planung als erster Punkt in dem Traumasaal mit vorheriger Information an den Operateur am Morgen.

 

Eingriffe primär Ulcus-nah

  • Schnittführung nach Zugängen gemäss der Angiosome. Keine Queren Hautschnitte!
  • bei lateralen Wunden den Hautschnitt auf der dorsalen Begrenzung des Ulkus (Druckstelle im Schuh bei ganz lateralem Zugang)
  • Infizierter Proc. unguicularis: Nagelextraktion und Teilamputation distale Phalanx Dig I (Fischmaul)
  • Sausage toe, Osteomyelitis Dig II – V: Amputation des betroffenen Zehen mit belassen der inter-metatarsalen Ligamente. Kein Racket-Schnitt!
  • Plantares Ulkus mit septischer Arthritis IP-Gelenk: Arthrodese mit einer kanülierten Schraube von distal nach Ausspülen des Gelenks und Resektion des distalen und proximalen Knorpels. Debridement des plantaren Ulkus mit Primärverschluss, wenn möglich.
  • Plantares Ulkus mit septischer Arthritis MTPG I: Ausspülen des Gelenks, Resektion des distalen und proximalen Knorpels des MTPG I. Arthrodese mit zwei kanülierten Schrauben, Plattenosteosynthese oder zwei Kirschnerdrähten. In ca. 10-20° Extension und 15° Valgusstellung.
  • Photodokumentation nach Debridement

Eingriffe post / primär und präventiv Ulcus-fern

bei Bedarf mit initalem Debridement kombinieren um Hauptdeformation zu korrigieren

  • perkutane Tenotomien der Flexoren bei Krallenzehen mit Spitzenulcera
  • Release FHL und Faszia plantaris bei Hallux rigidus und Ulcera Grosszehenspitze und über IP Gelenk
  • perkutane Achillessehnen-Verlängerung (Hoke) – benötigt Ruhigstellung im Gips für mindestens 4 Wochen.
  • Arthrodesen und Umstellungen Vor-Mittel-Rückfuss

 

Postoperatives Management Primär-Eingriffe

  • Immer Start mit empirische antibiotische Therapie nach Entnahme der intraoperativen Proben mit Co-Amoxicillin 2.2 g i.v., 8-stündlich (Cave Penicillin Allergie), gegebenenfalls Anpassen an die Nierenfunktion. i.v. Gabe bis zum Erhalt der mikrobiologischen Ergebnisse, anschliessend Umstellen der antibiotischen Therapie in Rücksprache mit der Infektiologie.
  • Planen eines Second looks resp. Hämatomevaquation falls möglicherweise Debridement insuffizient.
  • 2-3 Tage Bettruhe bis Wunde nahezu trocken. Keine Belastung auf die Naht. Bei plantaren Wunden keine Belastung für 3-4 Wochen.
  • Bei infiziertem Processus unguicularis, infiziertem IP- oder MTP-Gelenk oder nach Zehenamputation Beginn der Mobilisation im Vaco-Paso mit Belastung nach Massgabe der Beschwerden sobald Wundheilung sichergestellt.
  • Austritt sobald Wunde trocken und reizlos und sicher mobil.
  • Engmaschige Kontrollen in der Fusssprechstunde, spätestens zwei Wochen postoperativ zwecks allfälliger Entfernung des Nahtmaterials. Weitere Kontrollen dann 6 Wochen postoperativ zur klinisch-radiologischen Kontrolle.
  • Nahtentfernung immer in der Fuss-Sprechstunde

 

Referenzen

[1] Lavery LA, Armstrong DG, Peters EJ, Lipsky BA. Probe-to-bone test for diagnosing diabetic foot  osteomyelitis: reliable or relic? Diabetes Care. 2007. Feb;30(2):270-4. PubMed PMID: 17259493.

 

Autor

Dr. med. L.D. Iselin (Ver 11/2017)

Veröffentlicht in Alles

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Gemäss Dr. med. Marco Rossi, Chefarzt Infektiologie, ist es bei der Prothetik der grossen Gelenke besser die AB zwischen 0 und 30' zu haben. Wenn die AB-Gabe > 60' Minuten ist, muss nochmals nachgegeben werden.

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